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Kärntnerinnen im
KZ Ravensbrück

Andrea Lauritsch

Referat anlässlich der Eröffnung
der Wanderausstellung »Wege nach Ravensbrück«, am 18. 10. 2001

Ravensbrück liegt nicht in Kärnten! Nordwestlich von Berlin und hunderte Kilometer von hier entfernt liegt jener Ort, in dem sich zwischen 1939 und 1945 das größte Frauenkonzentrationslager Nazi-Deutschlands befand. Weit entfernt also, wurde dieses Lager auch für hunderte Kärntnerinnen und ihre Kinder ein Ort des Grauens, für etliche davon sogar deren Todesstätte. Als tatsächlich nur grobe Schätzung gehe ich nach einigen Recherchen von 250 bis 350 – vorwiegend weiblichen – Personen aus dieser Region aus. Über das Wesen dieses Lagers und den Alltag für die dorthin Verschleppten haben sie, verehrte BesucherInnen, bereits im vorhergehenden Referat einiges erfahren können und werden hier bei der Ausstellung und wie ich es ihnen herzlich nahe legen möchte bei der Lektüre des Katalogs noch weitreichendere erschreckende Einblicke in eine Welt außerhalb unserer Vorstellungskraft gewinnen.

»Die Nachbarin war in Ravensbrück!«, flüsterten manche nach der Rückkehr der Verschleppten in vielen Kärntner Dörfern und Städten. Diejenigen, die ihre Leiden und ihre Erinnerungen mitteilen wollten bekamen dann manches zu hören. Dazu Katharina Pecnik aus Eisenkappel, deren Schwester und Bruder beim Persman-Hof ermordet und deren Vater in Dachau gestorben ist: »Wenns so schlimm war, wie kannst noch da sein, sagen viele. Da bist du dann lieber gleich still, es bringt ja nichts. Langsam hast dich irgendwie zurückgezogen.« Dieses schützende Zurückziehen aufgrund massiver Abwehrhaltung durch die Umgebung, nicht zu vergessen – etliche in Denunziation und Deportation verwickelte OrtsbewohnerInnen haben nach 1945 in ihren tragenden Positionen unbehelligt weitergewirkt – war mit ein Grund, daß bis heute nur spärliche Beispiele von nachlesbaren Erinnerungen vorhanden sind. Dennoch kann aus den vorhandenen Erzählungen vieles rekonstruiert werden: Gründe der Haft, Aussiedlung der Kärntner SlowenInnen (von denen viele nach Ravensbrück gebracht wurden), Überlebenskämpf im Lager/Gestapogefängnis – Zwangsarbeit und Strafaktionen, Essensentzug und spezifisch weibliche Situationen (Menstruation, Geburt), Solidarität unter den Frauen, Sorgen um die Angehörigen … und immer wieder der tiefe Schmerz über die Behandlung nach der Befreiung. Ich werde in der Folge lediglich einige der mir aus verschiedensten Unterlagen und Quellen bekannten Schicksale nachzeichnen. Mit 17 Jahren, im Winter 1943, wird oben zitierte Katarina Pecnik nach Ravensbrück eingeliefert, später ins Jugendlager Uckermark überstellt. Sie spricht von »vielen Sloweninnen«, die sie im Laufe ihrer Haftzeit – bis April 1945 – im Lager trifft. Auch die damals 33jährige Amalija Blajs berichtet von vielen Eisenkapplerinnen, darunter ihre eigene Schwester, die noch vor dem Wiedersehen im Lager stirbt. Namen werden genannt: Anitza Kupper, Tonova Mici, Haderlapp, Hirtlnova, Moser Maricka … Maria Olip, Katarina Milavec und Helena Igerc erinnern sich in »Spurensuche. Erzählte Geschichte der Kärntner Slowenen« (Wien 1990) an ihre Zeit im berüchtigten Frauenlager. Wie die Mehrheit der dorthin Deportierten wurden auch sie der »Partisanenunterstützung« (oder wie es im Nazi-jargon hieß »Bandenbegünstigung) verdächtigt und beschuldigt. Auch im Familien- und Freundeskreis von Helena Kuchar gab es zahlreiche monatelang in Ravensbrück inhaftierte Mädchen und Frauen. Helena Kuchars Partisanenname Jelka kann als Name für den weiblichen slowenischen Widerstand hervorgehoben werden.

Auch in dieser Ausstellung kommt eine Slowenin zu Wort. Anna Olip-Jug gehörte zu jenen Zwangsausgesiedelten, die aufgrund der Sippenhaftungsvorstellungen der Nationalsozialisten zurück nach Klagenfurt in das Gestapo-Gefängnis und dann nach Ravensbrück gezwungen wurde.

Die zweite Kärntner Erzählerin hier, Frau Katharina Thaller, kommt aus einer kinderreichen Familie und ist Zeugin Jehova. Aufgrund ihrer religiös begründeten Weigerung zum Bund Deutscher Mädchen zu gehen, wird sie wie viele ihrer (Kärntner) Glaubensgenossinnen nach Ravensbrück deportiert. Dorthin gelangte auch die Pfarrersköchin Josefa Sumper aus St. Egyden, die ihren Pfarrer Petric in seiner Widerstandshaltung beistand. Sie erlitt dasselbe Schicksal wie 28 Nonnen aus einem Kärntner Kloster, die vor ihrer Ermordung noch ›gynäkologisch‹ untersucht wurden. (Nachdenkenswert! In den meisten wissenschaftlichen Abhandlungen zum kirchlichen Widerstand scheinen – auch speziell diese – Frauen nicht auf.)

Ein relativ häufiges Delikt, nämlich der verbotene Umgang mit Kriegsgefangenen, führte zunächst unweigerlich zur Verhaftung, Aburteilung und nach Haftverbüssung in Gefängnis oder Zuchthaus, wiederholt zu Einweisungen in Konzentrationslager durch die Gestapo. So erging es stellvertretend für viele Kärntnerinnen auch Gabriele P., die sich in Jean R. verliebte, »weil er so schön singen konnte«. Der Franzose war mit weiteren 13 Landsleuten auf einem landwirtschaftlichen Betrieb in der Gemeinde Krasta bei St. Veit eingesetzt. Sie »bereue« ihre Tat – mehrere Küsse, er leugnet diese Intimitäten. Sie wird 1942 in das Jugendschutzlager Uckermark überwiesen – später dem KZ Ravensbrück angegliedert. In den Unterlagen des Strafakts findet sich nicht weiteres zu ihrem Schicksal.

Der Arbeitszwang unter den Nationalsozialisten, so wurden auch beschäftigungslose Frauen vom Arbeitsamt ›vermittelt‹, führte wiederholt zu Verweigerungen. Frauen, die aufgrund familiärer Belastung (Kinder, ältere Angehörige) oder Betreuung des landwirtschaftlichen Betriebes, oder aus anderen Gründen ihren zugewiesenen Arbeitsplatz nicht einnahmen, galten als »arbeitsscheu« und »asozial«. Anna Birglechner und Agnes Fillatsch wurden aufgrund dieses Vergehens nach Ravensbrück verschleppt.

10 Monate bis drei Jahre überlebten nach einer Fragebogenaktion im Herbst 1945 zumindest sechs Frauen aus dem Kreis Villach. Ihre Namen Lotte Hattenberger, Angela Weichsler, Drauziska Wiegele, Hilda Wrulich, Serafine Zifferer und Rosa Mai(n)zinger. Alle geben als Begründung für die Haft: Partisanenunterstützung an. Diese Unterstützung reichte von Verpflegung, Unterkunftgebung bis zu Botengängen und eigenen bewaffneten Widerstandstätigkeiten. Völlig entkräftet und ihrer Habe beraubt kehrten sie zurück und baten auf diesen Formularen um geringfügige Unterstützung in Form von Kleidung, Nahrung und Geld. Gisela Tamegger, Kellnerin aus Kötschach, enttarnte die Gestapo als Kontaktperson für die berühmte Wiener Widerstandsgruppe O5. Zahlreiche Frauen im politischen Widerstand wie die Kommunistin Anna Knes internierten die Nazis in Ravensbrück.

Viele Namen und ihre Lebensgeschichten werden hoffentlich durch weitere Forschungen entdeckt. Damit nicht das geschieht, was die Nationalsozialisten mit ihrer Verfolgung bezweckten und Anna Olip-Jug so formulierte: »…, hoteli so, da za vedno izginemo iz zgodovine.« (»…, daß sie uns für immer aus der Geschichte auslöschen wollten«.

In Erinnerung an und in Achtung vor den Frauen, die schwanger und/oder mit ihren Kindern in KZ's verschleppt wurden.