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Guten Abend, dober večer

Dankrede anläßlich der Verleihung des 1. Frauen-Würdigungspreis an Ingrid Türk-Chlapek

Ich war neugierig, wie es sich anfühlen würde, wenn jemand auf meine Person eine Laudatio hält und ich muss sagen, es tut gut. Wohl wissend, dass eine Laudatio die Realität verzerrt – wer von uns ist schon immer gut, heldenhaft, engagiert? – gibt es ein beruhigendes Gefühl, wenn kurzfristig die Scheinwerfer ausschließlich auf die Sonnenseite des eigenen Lebens strahlen. Es relativiert Mühen und Anstrengungen, motiviert und gibt Kraft für die zukünftige Arbeit.

Und Kraft werden wir wahrlich brauchen. Denn seit der Gründung von ›Artemis Generationentheater‹ kochen wir – ich verwende eine Redewendung meiner Großmutter – »aus Wasser Suppe«. Aus diesem Grund haben wir bislang ökonomisch überlebt, angemessen zu leben begonnen, haben wir noch nicht. Aber dazu später.

Seit 1997 stehe ich als künstlerische Leiterin an der Spitze von ›Artemis Generationentheater‹. Immer galten und gelten mir die inzwischen zu Unrecht als antiquiert bezeichneten Grundsätze der 2. Frauenbewegung des 20. Jahrhunderts als Wegweiserinnen für meine Arbeit. Grundsätze einer Frauenbewegung, die angetreten war, einmal mehr für die Gleichberechtigung der Geschlechter zu kämpfen. Grundsätze einer Frauenbewegung, die nicht alle Ziele in vollem Umfang verwirklichen konnte, deren Früchte uns trotzdem bis heute zugute kommen.

Auf der Basis dieses Gedankengutes gestaltet sich die Organisation des Vereines ›Artemis Generationentheater‹ sowie unsere Inhalte, Methoden und Ziele. ›Artemis Generationentheater‹ ist ein Projekt, dass offen Frauen favorisiert, um ein Gegengewicht zu den üblicherweise patriachal organisierten Kunst- und Kulturbetrieben zu schaffen. Der Verein wird nicht nur von Frauen geleitet, wir engagieren auch vorzugsweise Künstlerinnen und versuchen in der Zusammenarbeit deren familiäre Umstände, beispielsweise ein zu stillendes Kind, zu berücksichtigen. Unser Ensemble besteht ausschließlich aus älteren Frauen, projektbezogen werden jüngere Darstellerinnen integriert. Thematisch setzen wir uns kontinuierlich mit frauenrelevanten Themen auseinander, wobei wir häufig Theaterstücke aus dem Erfahrungsschatz und aus den Erinnerungen unserer Ensemblemitglieder entwickeln.

Sie werden es sich vermutlich schon gedacht haben, liebes Publikum. So etwas funktioniert nur bei ausgeprägter Solidarität (wieder so ein altmodischer Begriff) zwischen Frauen und auch Männern. Seit 1997 haben wir sechs Theaterproduktionen, zwei Ausstellungen, zwei Lesungen und ein Videoprojekt realisiert und dabei wirkten – ich habe gestern nachgezählt – neun Mädchen, vier Buben, acht Männer und 64 Frauen mit. Daher möchte ich mich an dieser Stelle ganz herzlich bei allen Mitwirkenden, insbesondere jedoch bei den Ensemblemitgliedern, den künstlerisch-wissenschaftlichen Beirätinnen, dem Kassier und dem Obmann von ›Artemis Generationentheater‹ bedanken, ohne deren Überzeugung und Einsatz wir bzw. ich heute hier diesen Preis nicht verliehen bekommen hätte. Vielen, vielen Dank!

›Artemis Generationentheater‹ arbeitet an der Schnittstelle zwischen Kunst und Kultur, im Fachjargon spricht man von »sozialästhetischen Interventionen im öffentlichen Raum«. Unsere erste Zielgruppe ist die ältere Generation. Alte Menschen, und insbesondere ältere und alte Frauen, werden in unserer Gesellschaft an den Rand gedrängt. Uns geht es darum, diese spezifische Gruppe durch Kunst und Kultur verstärkt ins Zentrum zu rücken. Im übrigen freut es uns, dass generell der Frauenanteil im Publikum überproportional hoch ist. Sofern wir nicht im Altersheim auftreten, werden wir am häufigsten von Frauen mittleren Alters besucht, die wahlweise von ihren eigenen Töchtern oder Müttern begleitet werden.

Pläne für die Zukunft hätten wir genug. Unsere diesjährige Produktion ›Königin mit Rädern untendran‹ bringt Bewegung in Kärntner Altenheime. Es gibt Anfragen das Stück österreichweit zu spielen und zusätzlich in Altenheimen Fortbildungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzubieten. Als nächste Produktion träumen wir von einem Erinnerungstheaterstück, entwickelt und gespielt von den Frauen unseres Ensembles. Thema: Schafen und Wachen im Lebenszyklus bzw. Schlafstätten im Leben. Auch ein Video-Projekt mit Alzheimer Patientinnen und Patienten spukt schon seit einiger Zeit in meinem Kopf herum.

Unser größter Widerpart für zukünftige Entwicklungen ist das Geld. Obwohl inzwischen sogar von etlichen Politikerinnen und Politikern geschätzt und anerkannt - insbesondere Vertreterinnen für Frauenbelange versuchen uns finanziell seit Jahren unter die Arme zu greifen - konnten wir bislang keine ausreichende ökonomische Absicherung erreichen. 2002 schießen wir zum Jahresbudget den höchsten Anteil an Eigenmittel seit Gründung des Vereins zu. Dringend bräuchten wir Räumlichkeiten für ein Büro – derzeit besteht unser Büro aus einem Laptop, einem Handy und dreizehn Ordner (!) - sowie die nötigen Geldmittel, um nicht nur einzelne Projekte sondern auch den laufenden Betrieb von ›Artemis Generationentheater‹ abzusichern. Beschämend ist, dass es uns nicht gelungen ist, die derzeitigen Beschäftigungsverhältnisse in eine akzeptable Form europäischen Standards zu verwandeln.

Zum Abschluß meiner Rede möchte ich mich herzlich bei dem Grünen Frauenclub und Frau Eva Glawischnig für die Verleihung des 1. Frauen-Würdigungspreises bedanken. Wir wissen Ihr Engagement sehr zu schätzen. Wir hoffen, dass dieser Preis kein nettes Abschiedsgeschenk für eine finanziell und strukturell ausgeblutete Initiative darstellt, sondern ein Zeichen ist, bunte Vielfalt gegen die zunehmende Einengung des Kunst- und Kulturbegriffes zu setzen und Konzepte der breiten, basalen Kultur- und Kunstförderung nachhaltig zu forcieren.

Vielen Dank.
Hvala lepa.

Dankrede von Ingrid Türk-Chlapek
Villach, November 2002